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SVZ: Mai 2018

Schwerin: Hier ist der Atem der Akteure zu spüren, Theater klopft einem gleichsam auf die Schulter, sagt zum Publikum du. Das werk3, Schwerins populäres Brettl mit Bar, hat seine Opulenz mit deutschsprachiger Erstaufführung geschmückt. Eine irische Komödie: „The Quare Land" von John McManus, übersetzt von John und Peter von Düffel als „Besuch beim Alten".

Die Story könnte in der Zeitung stehen. Ein Bauunternehmer will seinen Golfplatz erweitern, benötigt dafür ein Feld vom Nachbarn, der weigert sich. Auf der Bühne ist das verdichtet zur Groteske. Denn der 90-Jährige, der vom Besitz erstmal gar nichts wissen will, errichtet gegen die Landnahme uneinnehmbar aus Lebensschauergeschichten ein Bollwerk, an dem der Investor scheitern muss.

Es geht hoch und heftig, bunt und humorig schwarz her in der doppelbödigen Inszenierung von Dirk Audehm. Da sitzt der Alte in der Badewanne und angelt sich eine Bierbuddel aus dem Klo. So vordergründiger Witz pendelt zum hintergründigen: Der Alte lässt sich vom Jungen rasieren, den er dauernd einseift mit Bauernschläue.

Der Alte ist Brigitte Peters. Nicht zur Augenlust maskiert, orchestriert sie den Text mit multitonalem Wortschwall, schöpft aus clowneskem Quell Mienen, Blicke, Posen und Gesten zu penetranter Widerborstigkeit. Der Alte ist skurril aber listig, mal tut er leicht debil, scheint dann trunken, ist plötzlich bei kritischem Verstand. Sein höhnisches Gelächter hebt die Kommerz-Moral aus den Angeln, dass Geld Menschen macht. Peters dreht eine Spirale aus Irrwitz bis ins Absurde – wo Realität blinkt.

Vergeblich müht sich Jens Tramsen als Besucher. Sein Managerhabitus zerbröselt in latenter Nervosität. Selbst Gefälligkeit bringt ihn nicht ans Ziel. Er verzweifelt an der Unverschämtheit seines Widerparts, fällt im wahrsten Sinne aus dem Anzug. Im werk3 wird komödiantisches Starkbier serviert.

Manfred Zelt

SVZ: Januar 2014
Die Wände schwarz und die Wanne schwarz gekachelt. Hier geht eine schwarzhumorige Beziehungskomödie vor, die sich zwischen Komik und Absurdität zuspitzt zur Farce, in der die gegenseitigen Vorwürfe, gern mit Pistole unterstützt, übergehen in Tortenwürfe, die sich wendet zur Tragigroteske, bei der letztlich ein Beil mitspielt. „Kirche des erotischen Elends“ titelt eine neue Produktion im Werk3 des Schweriner Theaters. Ein Mann geht so lange unheimlich fremd, bis seine Frau sich ebenfalls offen gleicherart bedient. Kein Amen, kein Happy End.

Regisseur Christoph Bornmüller inszeniert seine Mischung aus Paarkonflikten nicht als „Zweikampf in gepflegter Prosa“, wie es bei Erich Kästner heißt, sondern in einer so ungehemmten wie tabulosen Worteschlacht auf wildem Erregungslevel. Es ist real und irreal ein Inferno der Entblößung. Mit knappen Momenten der Besinnung, Glaubens-Sprüchen, mit Videobildern, Bluesklängen, Klangflächen, Lichttupfern von der Discokugel.

Es ist, erinnernd an Edward Albees „Virginia Woolf“, eine rasende Walpurgisnacht im Badezimmer. Sonja Isemer und Amadeus Köhli reiten teuflisch gestimmt zum Ehekriegsgipfel. Sie hochgradig hysterisch, aggressiv, voller Hohn und Spott und plötzlich wechselnd in den Sehnsuchtsmodus oder in Zärtlichkeit, die Brutalität vorbereitet. Er ein Typ von ungetrübtem Selbstbewusstsein, anklagend, zynisch, mal herrisch, mal jämmerlich, witzig, wenn er einen Satz abbricht und mit den Augen weiterspricht. Das Publikum ist von dem explosiven Duett heftig amüsiert. Der Berliner Schauspielerkollege Thorsten Merten lobt: „Toll gemacht.“

Werk3 arbeitet seit 2008 und mischt in der winzigen Bühnenkneipe im Schweriner Domwinkel Kleinkunst mit schrägem Theater, Unterhaltung mit Schauspieler-Experimenten. Da gibt es anspruchsvolle Lesungen, attraktive Songs, frechen Spaß. Ein Podium für kreative Schöpfungen von Kafka bis Kabarett. Hier können Künstler loslassen, was für die große Bühne nicht geeignet ist. Unter Leitung von Chefdramaturg Ralph Reichel hat Werk3 ein Stückchen Großstadt in der kleinen Landeshauptstadt installiert. Ein Upgrade für die Provinz, das schon mal bis zu 4500 Zuschauer im Jahr begeistert und auch weithin Resonanz hat. Der Liederabend „In der Bar zum Crocodil“ mit Teresa Weißbach und John R. Carlson war in Berlin und mit Ausschnitten in Chicago eingeladen. Programme wie „Alles ich“ von Andreas Lembcke oder Jochen Fahrs „Volker“ laufen seit Jahren. Hier ist ein Ort, der auch junge Leute lockt.
Im ministeriell bestellten, kunstfernen Gutachten, das Schwerins Theater allein buchhalterisch untersucht und Einschränkung definiert, steht Werk3 als Opfer. „Also geschieht es. Die Verträge sind gekündigt. Doch das bedeutet nicht das Aus. Ab Sommer wird Werk3 einen neuen Betreiber haben“, tröstet Reichel. Jürgen Groth, der die Gastronomie in der Theaterkneipe gepachtet hat und auch die Lounge „Klangwert“ nebenan führt, übernimmt. „In der Kooperation möchte ich das Angebot noch durch freie Theatergruppen anreichern. Und ab September soll es dienstags auch Kammerkino geben“, plant Groth.

„Wir haben versucht“, bestätigt Ralph Reichel, „gemeinsam ein Modell zu finden, um den Charakter von Werk3 weitgehend zu erhalten. Die Theaterleute werden weiterhin das Programm spartenoffen gestalten. Dabei wird die Eigenverantwortung der Akteure steigen, die dann einnahmebeteiligt sind, von ihrem Anteil aber auch die Gebühren für Texte etwa bezahlen müssen. Natürlich wird es schwer, auch mal eine Produktion, die nicht so gut läuft, die man aber aus künstlerischen Gründen verteidigen möchte, zu halten. Klassischer Fall: Diese Freiheit der Kunst wird durch die Ökonomie beschnitten.“ Reichel klingt verhalten optimistisch.

Was bedeutet Werk3 den Schauspielern? Christoph Bornmüller meint: „Diese Spielstätte bedeutet eine Art Luxus für uns, denn sie ist ein Platz, an dem wir uns ausprobieren, wo wir experimentieren können. Das ist die Qualität dieses Ortes, und die ist wichtig für künstlerische Entwicklung. Wir hoffen, dass alle Versprechungen für die Zukunft eingelöst werden. Sonst wäre es ein großer Verlust. “
Manfred Zelt